Konzert
Billy Talent
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BILLY TALENT “Billy Talent III” Release Date: 10.07.09 „Ich schlafe im Moment nicht wirklich gut, denn ich denke ständig über Mist nach, und dass das Album jetzt rauskommt und so…- ich weiß nicht, ich finde es ist die beste Arbeit, die wir bisher abgeliefert haben, ganz ehrlich. Aber man steckt so tief drin….“ Ben Kowalewicz ist Frontmann und Zentrum einer der erfolgreichsten kanadischen Bands nach der Jahrtausendwende, aber heute wirkt der sonst hyperaktive Kopf der Band aus Toronto eher nachdenklich und hat sich in den Übungsraum zurückgezogen, vor sich das finale Master von Billy Talent III, das immer noch im ungeöffneten FedEx-Umschlag schlummert. Keine Selbstgefälligkeit und keine Koketterie ist an ihm zu entdecken, während er versucht abzuschätzen, was im Sommer 2009 auf die Band zukommen wird. Wir erinnern uns an den Refrain von Try Honesty, das BILLY TALENT im Jahre 2003 den Durchbruch brachte und zu dreifachem Platin in Kanada führte. Viele hielten den Song und das erste Album für eine modische „Pop-Punk“-Eintagsfliege, die nicht lange Bestand haben würde. Mit Billy Talent II wurde dann drei Jahre später klar, dass das zu kurz gegriffen war, denn es gab weitere Platinauszeichnungen, und diesmal nicht nur in Kanada. In Deutschland gab es Doppelplatin, nachdem das Album sich auf Platz 1 geschleudert hatte, im Fahrwasser erreichte Billy Talent I überdies eine nachträgliche Gold-Auszeichnung. Und schließlich konnten sie zwei Echos in Empfang nehmen, die höchste Auszeichnung, die es in Deutschland zu erreichen gibt. Für BILLY TALENT ist das alles heute Geschichte. Seit 15 Jahren schon sind Kowalewicz, Gitarrist Ian D’Sa, Bassmann Jon Gallant und Drummer Aaron Solowoniuk gemeinsam unterwegs und sie müssen nichts mehr beweisen. „Wir hatten einen rauen Trip mit Billy Talent und Billy Talent II, aber ich glaube, dann haben die Leute die Band irgendwann wirklich verstanden“, blickt D’Sa zurück. „Ich hoffe, wir haben jetzt einige Dinge hinter uns gelassen. Nur weil eine Band viel im Radio gespielt wird, heißt das noch lange nicht, dass sie aus Arschlöchern besteht. Das war nämlich etwas, was in den frühen Jahren passierte. Wenn eine neue Band auftaucht, wird sie erstmal herumgestoßen und auf die Probe gestellt, nach dem Motto: Wer sind die eigentlich? Wo kommen die her? Aber ich glaube, inzwischen verstehen uns die Leute, und wir werden diese Probleme nicht mehr haben.“ „Es ist leicht, jemanden runterzumachen“, ergänzt Kowalewicz. „Viel leichter als eine Band zu verstehen, ist es, einfach zu sagen: ‚Die sind Scheiße. Ende.’ - Zack, hast du sie abgeschrieben. Aber wir kennen eine Menge Bands aus verschiedensten Richtungen in ganz Kanada, und wir haben sie als Menschen und Individuen kennengelernt. Und wenn du eine Situation menschlich betrachtest und diese Perspektive einnimmst, ist es viel einfacher anzuerkennen, wo ihre Wurzeln liegen.“ Billy Talent III steckt voller großartiger Songs, die sie zum ersten Mal so aufs Band bekommen haben, wie man sie auch in ihren Shows zu hören bekommt, die den Ruf von BILLY TALENT prägten und Auslöser für einen regelrechten Hype wurden. Dass die Aufnahmen so kraftvoll und authentisch gelungen sind, ist nicht zuletzt Producer Brendan O’Brien zu verdanken, der in seinem übervollen Terminplan zwischen Bruce Springsteen und AC/DC Zeit für die Jungs fand und sich in den Norden Torontos begab, um sich an die Regler zu setzen. Die Band selbst fand sich eigentlich nie gut genug, als dass sie davon ausgegangen wären, mit jemandem zusammen zu arbeiten, der nach ihrer Meinung einige „stilbildende“ Alben in seinem Portfolio hatte, etwa von Pearl Jam und den Stone Tempel Pilots. Als die Leute von Warner Canada sie aber nach ihrem bevorzugten Produzenten für das nächste Album fragte, setzten BILLY TALENT O’Brien spielerisch auf die Nummer 1 der Liste und lachten dann selbst über ihre hoffnungslosen Ambitionen. Für sie war es klar, dass D’Sa als Co-Producer mit Gavin Brown da weitermachen würde, wo er mit Billy Talent II aufgehört hatte. „Brendan war unsere erste Wahl, aber wir hätten nie gedacht, dass er mit einer Band wie uns würde arbeiten wollen“, erklärt D’Sa, der mit den übrigen Bandmitgliedern die Liebe zu den ersten beiden Rage Against The Machine-Alben teilt. „Sie klingen einfach phänomenal. Sie haben diesen gigantischen Drum-Sound, phantastische Gitarren, und die Songs sind alle hervorragend - Brendan hat einen unglaublich guten Job auf diesen Alben gemacht.“ „Er hat auch Blood Sugar Sex Magik von den Chili Peppers engineered“, wirft Solowoniuk ein. „Das ist ein Album, dass dich als Musiker einfach geprägt hat, wenn du es gehört hast. Es haute mich um. Es haute uns alle um.“ „Als er am ersten Tag der Pre-Production nach Toronto kam, war das für uns durchaus einschüchternd. Wir stellten einen Stuhl etwas abseits und schrieben Mr. O’Brien drauf. Er fand es allerdings gar nicht lustig.“ Am Ende führte O’Briens Einsatz dazu, dass BILLY TALENT noch tiefer ins klassische, satte Rock-Riff einstiegen, mit dem sie bereits auf Billy Talent II geflirtet hatten. Songs wie Devil On My Shoulder, The Dead Can’t Testify und Sudden Movements markieren eine deutliche Weiterentwicklung, die von den typischen BILLY TALENT-Songs wie Tears Into Wine und Turn Your Back (ein Vorab-Teaser, der vor ein paar Monaten an die dankbaren kanadischen Radiostationen gegeben wurde) ausgehen. Der neue Weg verbindet unüberhörbar den 70er Rock mit dem Frühneunziger Grunge, der das Quartett aus den Vorstädten Torontos inspirierte und auf den Weg zur charttoppenden Band der 00er brachte. Und als Brendan O’Brien an Bord kam, ergab das alles einen Sinn: Er half ihnen, ihre Wurzeln zu kultivieren; und als sie so zu sich selbst zurückfanden, schloss sich plötzlich ein Kreis. „Wir hatten gar keinen echten Plan, aber ich hatte ein paar Riffs, die an die Siebziger erinnerten und sich zu Songs wie Devil On My Shoulder entwickelten“, erklärt D’Sa. „Und wir wollten so weitermachen; wollten, dass sich Dinge organisch entwickelten, und sehen, was passiert. Es gab keinen wirklichen, groß angelegten Überbau dafür.“ „Zu der Zeit hörten wir alle Bands wie Soundgarden und unsere Lieblingsbands der Neunziger, all die coolen Grunge-Alben. Wir wuchsen ja in dieser Generation auf, und ich glaube, da kamen dann auch die Einflüsse her, die sich ein bißchen in unserer Musik niedergeschlagen haben. Es gibt definitiv einen starken Einfluss der Grunge-Ära auf diesem Album.“ Kowalewicz ergänzt: „Als Musiker hast du immer eine gewisse Nähe zu jener Zeit, in der du aufgewachsen bist. Wir wuchsen mit Nirvana, Pearl Jam, Soundgarden, Mudhoney und Jane’s Addiction auf. Und im Laufe der Zeit erforschten wir Punk mit The Clash, Sex Pistols und solchen Sachen. Ich denke, es ist eine Art Fortschritt, wenn Du die Zeit umkehrst und dahin zurück gehst, als Dinge einen Sinn ergaben. Ich glaube, die frühen Neunziger formten unsere Psyche, wer wir sind, und sogar, warum wir Musik machen.“ Aber ganz egal, was für die Entstehung der Songs sorgte, die Zusammenarbeit mit O’Brien „hat wahrscheinlich ein Feuer unter uns entfacht“, wie Gallant es beschreibt. Im Studio taten BILLY TALENT in Sachen Songwriting und musikalischer Virtuosität einen guten Schritt voran. Man hört das an ihrem Zusammenspiel, das nie vorher so flüssig und dynamisch klang und definitiv das Produkt einer 15-jährigen Entwicklung voller allnächtlicher, schweißtreibender Mühen ist. Man höre sich die rollende Rhythmus-Sektion auf Diamond On A Landmine an, die auf O’Briens Anraten ganz zu Anfang aufgenommen wurde, während die Band zusammen im selben Raum stand und alles herausließ. Auch die erweiterte emotionale Spannweite der langsamen Songs wie White Sparrows lässt die erreichte Souveränität durchblicken. Der Song ist eine Beinahe-Ballade, die, wie Kowalewicz betont, „zu etwas sehr Magischem wurde“, während sie den Song aufnahmen. Vielleicht lag es auch daran, dass jemand herausfand, wie man den berüchtigten Schreihals Kowalewicz dazu bringen konnte, ab und zu mal eine Strophe zu singen… Die erste Single Rusted From the Rain vereint beides: Die logische Weiterentwicklung und all das, was für BILLY TALENT typisch ist, nämlich Shouting und Vocals, die knackigen Gitarrenriffs und die perfekte Balance von Druck und Transparenz im Sound. „Die Leute sagen immer, ‚ihr hört euch auf einem Album ganz anders an als live’. Und manche Leute mögen die Alben sehr gern, andere eher das Live-Zeugs“, sinniert Kowalewicz. „Was wir also machen wollten, war, beides zusammen zu führen, damit es wirklich breit und heavy klingt. Und trotzdem ist es immer noch sehr lebendig und emotional.“ Die Mission war erfolgreich. BILLY TALENT klangen nie so emotional und nie so lebendig wie auf ihrem neuen Album. Und sie waren nie bereiter, ihre Rolle als transkontinentale Rockstars zu erfüllen als jetzt. Man kann auf Hit-Schreiber wie sie heutzutage nicht verzichten, Leute, die uns zeigen, worum es in erster Linie geht.