Konzert
DIE HAPPY
Ohne gute Songs geht bekanntlich gar nichts, aber sie müssen auch großartig vorgetragen werden. In beiden Disziplinen liegen Die Happy ganz weit vorne, schließlich gibt es vom Format einer Marta Jandová nur eine Handvoll Sängerinnen in Europa. Ihre frappierend wandlungsfähige Stimme enthält neben einer einmaligen Kraft tonnenweise Emotionen, die von jubelnder Begeisterung bis zu rührender Melancholie reichen. Parallel zur Musik ist der geborenen Tschechin und ihren drei Jungs vor allem eines wichtig, der Kontakt zum Fan. Die von Die Happy selbst gestaltete und verwaltete Website verzeichnet überdurchschnittlich viele Besuche, jeder Entwicklungsschritt der Formation wird dokumentiert und im Netz den Fans präsentiert, regelmäßig chattet die Band mit ihren Anhängern. Für ihre Webseite wurde das Quartett denn auch im Zuge der Net Night 2002 für den begehrten Internet Award „Neo“ nominiert.
Wie der nagelneue Silberling beweist, haben Die Happy einen Riesenschritt nach vorne gemacht. „Wir sind internationaler geworden“, weiß Thorsten. Das begann schon mit der Komposition der Songs. Erstmals reisten die Ulmer nach Schweden, um dort - inspiriert von dem rock’n’rolligen Klima Stockholms – neue Songs mit spezialisierten Songwritern zu schreiben. „Da geht es sehr professionell zu, die arbeiten von ´nine to five` und schreiben Songs“, berichtet Thorsten. So kam es zum Beispiel mit Anders Eliasson, dem Gitarristen von Lambretta, den man bei gemeinsamen Festivalauftritten kennen gelernt hatte, für einen Song zu einer schwedisch-deutschen Zusammenarbeit. „Eine gute Erfahrung, die wir wiederholen werden.“ meint Thorsten. Sieben Lieder entstanden so im hohen Norden, die irgendwie ganz anders sind und trotzdem eindeutig die Handschrift der Band tragen.
Insgesamt hatten Die Happy dreißig Song-Ideen im Rucksack, als sie anschließend nach Los Angeles aufbrachen. Hier genossen sie nicht nur die herrlich warme Sonne des kalifornischen Januars, sondern spielten mit dem Produzenten-Trio The Matrix sieben Titel ein. „In den USA bekommen die Produzenten einen super Sound hin“, lobt Thorsten. The Matrix hatten zuvor Avril Lavigne produziert und gelten als zur Zeit angesagtestes Produzenten - Team in den USA. Mitte Februar nahmen die Musiker schweren Herzens Abschied vom warmen L.A. und kehrten ins kühle Europa zurück. Die restlichen Songs spielten sie mit Stammproduzent Ralph Quick im dänischen Vejen ein. „Bei ihm wussten wir, was wir haben. Er steht auf Gitarren und kann den harten Sound, den wir lieben, erzeugen“, begründet Bassist Ralph Rieker den Schritt.
Im Mittelpunkt der variantenreichen Songs steht natürlich die glanzvolle Stimme Marta Jandovás. Mal attackiert sie wie ein wütender Hurrikan, um im nächsten Song die Wärme eines Sommertags zu verbreiten, die Stimme umgibt einen wie das Wetter, man kann sich ihr nicht entziehen. Martas Texte entstehen prinzipiell erst am Schluss der jeweiligen Aufnahme, sie braucht die Musik als Inspiration. „Inhaltlich geht es um Beziehungen, Sex und Zärtlichkeit, aber auch um die Begleichung offener Rechnungen. Ich rechne mit vielen Leuten ab“, sagt Marta kämpferisch, „zum Beispiel mit all denen, die aus mir etwas anderes machen wollen als ich bin.“
Am Ende stehen Spitzen-Songs wie das schwungvoll, melodische „Big Boy“, das den Psycho-Terror einer einengenden Beziehung behandelt. Oder das harte „Take Me On A Ride“, in dem es um den Wunsch geht, vor Problemen zu fliehen. Oder aber das verträumte „Slow Day“, ein melancholisches Liebeslied. Gänsehaut pur gibt es bei „Wrong“. Insgesamt klingt das dritte Album ausgereifter und selbstbewusster als seine beiden Vorgänger. Es deckt das erstaunlich weite Emotionsspektrum ab, das Martas Stimme ausdrücken kann. „In einem Augenblick bin ich das glücklichste Mädchen, im nächsten Augenblick weine ich. Ich bin impulsiv in alle Richtungen“, sagt sie über ihr Gefühlsleben.
Zehn Jahre nachdem sie nach Deutschland kam und dort mit Thorsten Mewes an der Gitarre ihre Band Die Happy (ein geflügeltes Wort unter Surfern, die sich damit Hals- und Beinbruch wünschen gab ihnen den Namen) gründete, ist die Band um Marta und Thorsten mit Ralph Rieker am Bass und Jürgen Stiehle an den Drums, einer der angesagtesten Acts in Deutschland. Ausverkaufte Tourneen und hohe Chartnotierungen sind eindrucksvolle Belege dafür.
Noch bevor sie überhaupt einen Plattendeal unterschrieben, hatten Die Happy bereits hunderte Konzerte absolviert, durch die sie ihren Ruf als hervorragende Live-Band etablierten. Dieser blieb nicht ungehört, so dass ab 1999 die Labels um die Band buhlten. Die BMG Ariola München bekam den Zuschlag und der Erstling „Supersonic Speed“ brachte das Ulmer Quartett in die Top 50 der Verkaufs-Charts und das dazugehörige Video auf alle Musikkanäle. Die Happy wurden als „Newcomer des Jahres“ gefeiert. Um das Album zu unterstützen, begab sich die Kapelle auf die „ewige Tour“. Kein Jugendzentrum, kein noch so kleiner Rockclub wurde ausgelassen, mit jedem Auftritt gewannen sie neue Anhänger hinzu. „Insgesamt haben wir 200 Gigs für die Scheibe gespielt“, bilanziert Thorsten stolz.
Im meilenfressenden Tourbus wurde damals bereits eifrig an neuen Songs gewerkelt. Schon 2002 erschien der Nachfolger „Beautiful Morning“, der auf Anhieb Platz 15 der Charts erklomm. Und mit dem Video zur Single „Goodbye“ gelang der endgültige Durchbruch. Aus den „Newcomern“ wurden „Shooting Stars“, kaum eine Superlative wurde von der Presse ausgelassen. Selbstbewusst tourte die Band dieses Mal durch größere Hallen. Die Rechnung ging auf, ihr Ruf als exzellente Live-Band sorgte für rappelvolle Venues, auf ihrer Homepage beschwerten sich enttäuschte Fans sogar, sie wären extra zum Konzert angereist, nur um das deprimierende Schild „Ausverkauft“ zu sehen. Kein Wunder, denn ihre furiose Bühnenshow und insbesondere die atemberaubende Bühnenpräsenz von Frontfrau Marta suchen ihresgleichen. Das tschechische Stimmwunder hat ihr Publikum wie kaum jemand im Griff, ihre Fans lieben sie. Welcher Künstler schafft es schon, dass 10.000 Leute auf einem Open Air wie hypnotisiert den Ansagen von der Bühne folgen, sich auf den Boden setzen, die Arme kreisen lassen, in die Luft springen.
Aufgrund ihrer explosiven Live-Power stehen besonders die Festivalmacher auf die Band. Als einzige nationale Band spielten sie wirklich jedes große Festival in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die (Wahl-)Schwaben spielten bis dato Rock am Ring und im Park, dreimal das Southside, zweimal Highfield, zweimal With Full Force, zweimal Taubertal, zweimal Rock am See sowie das Hurricane und 2002 ein Konzert mit P!nk. Den krönenden Abschluss der „Beautiful Morning“-Ära war die Echo-Nominierung 2002, als beste deutsche Alternative-Band.
Als Albumtitel wählte das Quartett schließlich „The Weight Of The Circumstances“. „Er soll die Leute auffordern, inne zu halten und einen Schritt zurück zu treten. Dann sehen sie, dass es uns allen eigentlich verdammt gut geht“, kommentiert Jürgen die Wahl. „Wenn du zurück blickst auf die Probleme, die du vor einem Jahr hattest, dann fragst du dich: Warum hab ich mich so gestresst? So ist es oft, du lachst über die Schwierigkeiten von früher,“ meint Marta. Nachdenklich fügt sie hinzu: "Es wird einem aber auch bewusst, dass es vielen Menschen nicht so gut geht." Der abendliche Blick über die Metropole L.A., hat bei Marta tiefe Eindrücke hinterlassen. "L.A. ist das Ziel so vieler Menschen mit Träumen vom großen Erfolg. Da gibt es einen Kuchen, von dem jeder ein Stück abhaben will, doch nur die wenigsten kriegen was davon. Glück und Unglück, Erfolg und Trauer liegen sehr nah´ beisammen".
Mit „The Weight Of The Circumstances“ wollen Die Happy nun auch die europäischen Bühnen und Charts erobern. Wenn man auf die Geschichte der Band zurück blickt und sich das neue Album zu Gemüte führt, fällt es schwer, ihnen diesen Durchbruch nicht zuzutrauen.