Konzert
Die Happy
Man sagt, dass erst die Zeit darüber entscheidet, ob eine Rockband wirkliches Potential hat. Die Arithmetik ist klar: Zieht man vom schnellen Erfolg, von glorreichen Nächten und aufregenden Tagen den Faktor Konstanz ab, bleibt oftmals nur ein ratloses Schulterzucken. Was nun? So manche hoffnungsvolle Rockband ist unter dem über ihr schwebenden Damoklesschwert eines drohenden ´One Hit Wonders`-Schicksals gescheitert. Heute Top, morgen Flop – Beispiele dafür gibt es zuhauf. Substanz läßt sich eben nicht mit Chartsnotierungen, Verkaufszahlen oder MTV-/VIVA-Rotation bemessen. Um so erstaunlicher und bewundernswerter, wenn es eine Rockband schafft, sich nach weit über 200 Konzerten in einem Jahr, einem Top 50-Album (welches sich 8 Wochen beachtlich in den Charts hält) und massenhaft Kritikerlob sogar noch künstlerisch zu steigern.
Dabei hätten Die Happy theoretisch jede Menge Argumente gehabt, weshalb das hohe Niveau von Supersonic Speed nicht wiederholbar war: der Tourstreß, die knappe Vorbereitungszeit, die nicht enden wollende Müdigkeit. Indes, Beautiful Morning, das zweite Album der Band, ist der lautstark tönende Beweis, dass es für die Band um Sängerin Martha Janova ein Leben nach Supersonic Speed gibt. Mehr noch: Es gibt ein Leben vor weiteren Großtaten, deren Dimensionen zum Zeitpunkt der Veröffentlichkeit noch gar nicht abzusehen sind. Und dies Leben beginnt jetzt, gerade in diesem Moment, in dem in irgendeinem CD-Player eines interessierten Hörers, sei es Journalist, Konzertveranstalter oder Fan, Beautiful Morning zum ersten Mal seine ganze Pracht entfaltet. Die Musik spricht für sich, für Die Happy, für neue Horizonte, künstlerisch wie kommerziell. Eines ist jedenfalls schon jetzt klar: Das Phänomen Die Happy hat Zukunft.
Hinter den vier Musikern Martha, Thorsten (Gitarre), Ralph (Bass) und Jürgen (Schlagzeug) liegt eine arbeitsreiche, intensive und überaus kreative Zeit in Skandinavien. In der Abgeschiedenheit Dänemarks, in einem zum Proberaum umfunktionierten Ferienhaus in den berühmt/berüchtigten middle of nowhere feilten Die Happy an der Weiterentwicklung ihres eigenen unverwechselbaren Sounds, den die vier Musiker selbst als ´Popcore` bezeichnen und der sich durch wuchtige Gitarrenriffs, feurige Hooklines und abwechslungsreiche Gesänge auszeichnet. Dabei reicht die stilistische Palette von harten Rocksongs über atmosphärische Midtempo-Nummern bis hin zu einfühlsamen, oftmals mit entschärften Gitarren instrumentierten Balladen. “Die Dynamik unseres Materials ist geblieben, die große Spannbreite zwischen aggressiven Songs und Stücken, bei denen man abschalten kann, sogar noch extremer geworden,” sagt Martha. “Wenn es rockt, dann direkt in die Fresse, wenn es ruhig wird, dann mit aller Konsequenz.” Sprich: nur mit akustischen Instrumenten.
Mit den ruhigen Songs meint sie u.a. ´Breathing` und ´It´s All Over`, zwei wunderbar melancholische und eindringliche Stücke. “In ´Breathing` steckt mein gesamtes Leid, mein ganzes Herz drin”, erklärt sie. “Der Text ist autobiographisch, der persönlichste Song, den ich jemals geschrieben habe.” Im Kontrast dazu die Vielzahl packender, hart rockender Tracks á la `Paralyzed`, ´Not That Kind Of Girl` oder auch ´Humanbeeing`, der sozialkritischste und wohl politischste Song der Gruppe. “´Humanbeeing` entstand gerade zum Zeitpunkt des Anschlags in New York”, stellt Martha klar. “Der Text bezieht sich allerdings nicht direkt auf den Terrorismus, wie er dort sichtbar wurde, sondern darauf, dass wir sagen: Schuld haben nicht die Mächtigen, die Führer einer Bewegung, die Schuld liegt in uns allen, in den Menschen, die diesen Mächtigen blindlings folgen.”
Veröffentlicht wird ´Beautiful Morning`, das in den ´P.U.K. Studios` in Kopenhagen, in denen schon Größen wie Elton John, George Michael oder auch Depeche Mode ein- und ausgingen, produziert wurde, am 01. April 2002. Bereits drei Wochen zuvor erscheint mit dem wunderbar melodisch-eingängigen ´Goodbye` die erste Single.
Was demnächst folgen wird, ist den Die Happy-Fans schon jetzt klar. Natürlich zieht es die Gruppe direkt wieder zurück auf die Straße, zurück in Clubs und Hallen, zurück zu ihren Anhängern. Allerdings, und dies konnte nicht anders sein, in einer weniger hohen Schlagfrequenz wie bisher. “Mit Supersonic Speed spielten wir quasi überall dort, wo es eine Steckdose gibt”, erinnert sich Schlagzeuger Jürgen. “Das war auch gut so und sehr lehrreich. Dadurch haben wir viel Routine gewonnen. Aber solch ein Programm kann man natürlich nicht auf Dauer fortsetzen. Irgendwann besteht die Gefahr, dass man ausbrennt, körperlich und mental. Deswegen sieht das Konzertprogramm für dieses Jahr etwas kraftsparender aus. Damals sind wir zu den Leuten gekommen, in jeden noch so kleinen Ort. Nun spielen wir für unsere Fans in mittleren bis größeren Clubs und hoffen, dass unsere Fans bereit sind, zu uns zu kommen, gemeinsam die “gewohnte Party” zu feiern. Wer einmal bei uns war, der weiss, was ihn erwartet. Keine Sorge, wir sind nicht dem Größenwahn verfallen, wir treffen alle Fans wie gewohnt auch nach der Show wieder”.
Diese Frage beantwortet sich wohl von allein. Bedenkt man, wie viele Fans von den bisherigen Konzerten der Gruppe begeistert waren und nun nur darauf warten, Die Happy endlich wieder auf der Bühne zu sehen, kann man sich die hitzige Atmosphäre in den Clubs schon jetzt bildlich vorstellen.