Konzertarchiv
Do 19.08.2004 |
Bericht über 20 Jahre Longhorn
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Podium
Wo Countrystar auf Punkrocker trifft
Die Institution unter den Stuttgarter Konzerthallen: das LKA in Wangen wird zwanzig Jahre alt
Von Jan Ulrich WelkeWas verbindet Truck Stop mit Eminem, was Marianne Rosenberg mit Sheryl Crow, was Torfrock mit Nirvana? Und was haben die Prinzen mit Rammstein, was Rio Reiser mit den Ärzten, was Jeanette Biedermann mit den Fantastischen Vier gemein? Bei Licht besehen rein gar nichts. Aber sie alle haben, man glaubt es kaum, in den vergangenen zwanzig Jahren schon im LKA gespielt.
Und das kam so: Thomas Müller war Anfang der achtziger Jahre Geschäftsführer in einer Stuttgarter Disco, lebte mit seiner amerikanischen Freundin in den Patch Barracks und hatte fast nur mit Amerikanern zu tun gehabt. Die GIs hatten seinerzeit das Problem, dass an fast jedem Stuttgarter Club ein Schild mit der Aufschrift ¸¸Off Limits" hing - sprich: Amerikaner waren unerwünscht. Die Amerikaner baten folglich Müller, doch einen Club für Amerikaner ins Leben zu rufen. Also haben Thomas Müller und sein Kompagnon Udo Heller 1984 eine Halle in Wangen gemietet und das Longhorn gegründet, einen reinrassigen Countrymusikclub.
In recht kurzer Zeit entwickelte sich das Longhorn prächtig. ¸¸Es gab niemals Stress mit den Amerikanern, das waren die ruhigsten Jahre, die ich in meinem Berufsleben hatte", sagt Müller über die angeblich so renitenten GIs. Bald fanden auch immer mehr Deutsche den Weg ins Longhorn, es avancierte zum größten Country-&-Western-Club außerhalb Amerikas, wie die amerikanische Zeitung ¸¸Stars & Stripes" schrieb.
Damals spielten zwar Bands zum Tanz auf, bis zum ersten richtigen Konzert im Longhorn dauerte es aber noch drei Jahre. Und dass es zu Stande kam, war eher Zufall. Der Konzertveranstalter Henning Tögel (der übrigens heute mit seiner Agentur Moderne Welt immer noch aktiv ist) hatte zwar einen zugkräftigen Act an der Hand, aber einen kleinen finanziellen Engpass zu bewältigen, weswegen er sich die Miete für eine Konzerthalle in Stuttgart nicht leisten konnte. Nur Müller und Heller waren bereit, ihm ihren Laden mietfrei zur Verfügung zu stellen. Und allen anfänglichen Zweifeln zum Trotz funktionierte das. Mit einem ausverkauften Auftritt von Nina Hagen begann am 14. Dezember 1987 die Konzertära im Longhorn. Begünstigt wurde der Start dadurch, dass die Longhorn-Macher die Einzigen waren, die in Stuttgart Platz für 1500 Zuschauer anbieten konnten. Es gab zwar die Röhre und das Alte Schützenhaus, beide sind jedoch deutlich kleiner. Vergleichbar war nur der große Saal im Wangener Theaterhaus. ¸¸Aber Werner Schretzmeier wollte auf keinen Fall, dass da Kommerz abgeht", erinnert sich Müller schmunzelnd. Tempora mutantur.
Bereits im folgenden Jahr fanden 43 Konzerte nationaler und internationaler Künstler statt, in einer heute überraschend anmutenden musikalischen Vielfalt: Im März 1988 stand der Soulsänger Bobby Womack auf der Bühne, kurz danach spielten die Industrialband Neon Judgement, Johnny Guitar Watson, Uriah Heep, Bo Diddley, Sly and Robbie sowie die Einstürzenden Neubauten. Wer wollte, konnte im Longhorn im Mai 1988 innerhalb von fünf Tagen sowohl die Countryjungs von Truck Stop wie auch die Punkband The Exploited hören. Allein bis 1992 fanden im Longhorn dreihundert Konzerte statt.
Viele Menschen sagen zu dem Wangener Club noch heute Longhorn, seit der Neueröffnung nach einer kurzen Renovierungsphase im September 1993 heißt er aber LKA. Die Abkürzung steht für Longhorn Kultur-Austausch und beschreibt die zweite wichtige Säule der Betreiberphilosophie - die Nachwuchspflege. Im LKA fanden schon mehr als fünfhundert Konzertabende mit mehr als tausend Nachwuchsbands statt. ¸¸Ich war früher oft in New Orleans und immer so erstaunt, dass man dort auf der Bourbon Street schon vormittags in die Kneipe gehen und Livemusik hören konnte", erinnert sich Thomas Müller an die offenbar weitaus besseren Startvoraussetzungen in New Orleans. ¸¸Also habe ich mir gesagt, ich muss etwas für die Stuttgarter Musikszene tun", sagt Müller, der daraufhin das notwendige Equipment für Live-Auftritte angeschafft und den hiesigen Bands ein Forum geboten hat - ¸¸aus reinem Goodwill", wie Müller sagt, denn diese Konzerte rechnen sich bis heute nicht: ¸¸Wenn ich den Mixer und die Gema bezahle, sind die Einnahmen schon weg."
¸¸Basement Six vielleicht, die mal bei HIM im Vorprogramm gespielt haben, und End of Green, die Kultband der Region", sagt Müller zögerlich auf die Frage, ob unter diesen tausend Bands welche dabei wären, die später einmal groß herausgekommen sind. ¸¸Und Fools Garden, die haben 1994 hier viermal gespielt", schiebt er dann noch nach. ¸¸Tommy, wenn wir mal berühmt sind, denken wir an dich . . ." hätten sie ihm immer gesagt. Aber derlei kennt Müller: ¸¸Von Fools Garden habe ich nach ,Lemontree" nie wieder was gehört." So viel zum Thema Dankbarkeit.
Enttäuscht ist er deshalb aber nicht. Es geht ihm in erster Linie darum, ein Forum zu bieten, bei dem junge Bands mit professionellem Equipment auftreten können. Die Star Clubnight, Noise Gate, Youngsterball und Stuttgart brennt heißen die Reihen, die er initiiert hat, im LKA wurden Landes- und Bundesrockpreise ausgetragen und zahlreiche Benefizkonzerte veranstaltet, mal für das Stuttgarter Jugendhaus, mal für die Aids-Hilfe. Und immerhin, ein wenig Dank gab es sogar. Für sein Engagement wurde das LKA in diesem Jahr mit dem Club-Award des Popforums Baden-Württemberg für seine vorbildliche Nachwuchsarbeit ausgezeichnet.
Natürlich kriegt auch das LKA die derzeitige wirtschaftliche Situation zu spüren. Müler bezeichnet sie als ¸¸sehr problematisch". ¸¸Die Schere klafft zu weit auseinander, die Bands haben Gagenforderungen in astronomischen Höhen, die Leute jedoch weniger Geld - das kann nicht gut gehen", so Müller. ¸¸Speziell die US-Gruppen kommen nach Deutschland und denken ,wir füllen bei uns Football-Stadien und können deshalb hier entsprechende Gagen verlangen"". Hinzu kommt das Überangebot. ¸¸Vor zehn Jahren gab es hier ein bis zwei Independent-Veranstaltungen jeden Monat, mittlerweile sind es drei bis vier jedes Wochenende. Die Leute können nicht alles finanzieren." Weswegen er leider für die Jubiläumsfeierlichkeiten, die für den Herbst geplant sind, auch nicht die Fantastischen Vier oder die Farmer Boys buchen kann, zwei Bands, die im und um das LKA groß geworden sind. ¸¸Selbst unsere eigenen Leute drehen an der Schraube", konstatiert Müller nüchtern.
Sei"s drum. In Stuttgarts größter reiner Konzerthalle haben bis heute schon mehr als achthundert große Bands gespielt, und die Betreiber wollen noch lange weitermachen. Künstler wie Sheryl Crow oder Eminem wird man hier wohl nicht wiedersehen. Aber wer weiß, wer demnächst mal in der Schleyerhalle spielt - und an wessen Auftritte im LKA man sich dann noch erinnert.
www.LKA-Longhorn.de
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© 2004 Stuttgarter Zeitung