Konzertarchiv
Bonaparte
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"Sorry, we're open" heißt das neue Studioalbum, das am 17.08.2012 in allen erdenklichen Formaten erschienen ist. Genau genommen ist es BONAPARTEs erstes Studio-Album, wurden die beiden Vorgänger-Alben "Too Much" und "My Horse Likes You" doch eher zwischen Autobahn und Bettkante auf einem Laptop aufgenommen. Für "Sorry, we're open" aber fand Jundt, dass es endlich an der Zeit war, ein eigenes Studio in Berlin einzurichten: "Ich habe den Großteil meines Lebens entweder direkt in Studios übernachtet, oder aber meine Wohnungen sahen immer sehr schnell aus wie Aufnahme-studios...“
Weil Jundt mit BONAPARTE aber seit mehr als fünf Jahren ununterbrochen mit seiner Bande in der Weltgeschichte herumgondelt, ist er nun überglücklich, in Berlin endlich einen festen Ort zu haben, an dem er sich jederzeit vom Tournee-Stress zurückziehen kann, um dort in Ruhe an neuem Songmaterial zu arbeiten.
"Sorry, we're open“ ist navigatio vitae – mit dem der Kaiser und seiner Entourage unterwegs ist auf dem Lebensschiff HMS BONAPARTE. Im Studio wurden von Zeit zu Zeit die musikalischen Logbucheinträge getätigt: "There's a schooner in the offing, with her topsails shot with fire, and our hearts have gone aboard her, for the islands of desire", last Jundt seinen Computer zu Beginn im Intro „The Ship Is Thinking“ die Worte aus der Feder des US-amerikanischen Dichters Richard Hovey rezitieren, um im darauffolgenden ersten Song des Albums gleich den Zustand der Quarantäne auszurufen. „Quarantine“ ist Blues-infizierter Elektrorock. Hier lässt sich kaum mehr unterscheiden welches Signal aus einem Synthesizer, welcher Ton aus einer angeschlagene Saite einer schwer verzerrten E-Gitarre stammt: Digitale Gitarren und analoge Synthesizer im Duett.
Überhaupt gelingt es dem assoziativen Geschichtenerzähler Jundt und seinem Kollektiv auf diesem Album die Bonaparte typische Musik, basierend auf Traditionsgenres wie etwa Blues oder Folk auf der einen und urbaner Stilistik wie Elektro, Hip-Hop oder Dubstep auf der anderen Seite, weiter zu perfektionieren.
Konsequent wurde auf diesem Album übrigens MIDI als digitale Schnittstelle für Instrumente vermieden. Die Maschinen und Instrumente wurden also in Echtzeit aufgenommen. So ist „Sorry we’re open“ ein Rave-punkendes Cyperblues-Album geworden, das von dem Schicksal der ewigen Betriebsamkeit, der Online-Getriebenheit in unseren Leben als herumwandelnde Open-Source-Datei ohne Dienstschluss weiß, und dabei trotzdem versucht das Menschliche in der Mensch-Maschine zu betonen:
„This is not what I call multitasking, this is madness!“, heißt es etwa in „Quick Fix“, der schnellen Lösungshymne für die Generation Suchmaschine um schließlich ironisch anzumerken: „Who needs history, if you can have hype?“. Wer dem Vorurteil glauben schenkt, BONAPARTE sei doch sowieso nur eine inszenierte Freak-Show, ein Spektakel in dem die Musik nur zweitrangig sei, der unterschätzt kolossal einen Ausnahmemusiker, dem seit Jahren seine musikalischen Erfolge nicht durch Zufall oder billige Gaunertricks passieren, sondern durch das Talent des Songschreibens. Natürlich sind die Shows wichtiger Bestandteil des Gesamtkonzepts. Aber bei welcher Band ist das nicht der Fall? Wer jemals bei einem BONAPARTE-Konzert war, der wird miterlebt haben, wie der ganze Saal jede einzelne Textzeile eines Songs wie etwa „Too Much“ inbrünstig mitsingt...Tobias Jundt vergleicht BONAPARTE-Konzerte immer mit Schlachten, die man gewinnen muss. So bedient er sich im Titelsong konsequent der Kriegsmetaphorik: "My guitar like a kalashnikov, my bass-drum like a bazooka, pick up your artillery, in the myth of defeat, and if i’m gonna crack my voice, it’s my weapon of choice, the end of entertainment, is the beginning of war – my guitar, my guitar!".
Als Premiere gibt es mit „C’EST À MOI QU’TU PARLES?“den ersten französischsprachigen BONAPARTE-Song, in dem Jundt die Sprache der Kavaliere und Charmeure nutzt, um fast fünf Minuten lang humorvoll sein Gegenüber mit Worten zu beschmutzen. Als gebürtigem Schweizer ist ihm das Spiel mit den unterschiedlichen Sprachen, Dialekten und Mentalitäten offenbar in die Wiege gelegt. Immer wieder finden sich auf dem Album kleine Interludes, deren Titel in Längen- und Breitengraden angegeben sind. Reale und fiktive Inseln im Alltag zwischen Cloud und Kombüse: Hinter manchen Koordinaten verstecken sich lärmende Baustellen, während andere einen träumen lassen von dem paradiesischen Ziel dieser Album-Reise: „Bonahula“ – die Tiki-Bar der wilden Nächte, auf deren Veranda man in den Morgenstunden zufrieden und erschöpft auf der Hängematte liegt, den Wogen des Meers zuschaut während auf der Treppe ein kleiner, nimmermüder Rock&Roll-Kaiser schon wieder einen Song auf seiner Klampfe anstimmt: „Manana Forever!“.
Maurice Summen