Konzertarchiv
Fish
Ein Bruder von Räuber Hotzenplotz
Der schottische Charismatiker Fish im LKA
Er hat sich den Namen Fish in der Badewanne geholt, der Schelm. Hat als Untermieter seiner Hauswirtin, einer alten Dame, die gerne und viel Tee trank, mit seinem ausgeprägten Badetick ständig das Bad-Klo blockiert. Nun ja, der Mann hat viel erlebt. Holzfäller soll er auch schon gewesen sein, und als Marillion-Sänger konnte er Peter Gabriel gut nachmachen. Doch vor etwa zehn Jahren hat ihn der Ernst des Lebens eingeholt, und seitdem sucht er solo nach dem Ruhm der Popwelt.
Derek William Dick ist als Fish nicht gerade der geborene Popstar. Wie er jetzt auf die Bühne des LKA springt, wirkt er wie der jüngere Bruder von Räuber Hotzenplotz, ein kahlgeschorener Schrat, dessen viel zu lange Gliedmaßen urig um den riesigen und etwas unförmigen Körper baumeln.
Aber interessant ist er, von Anfang an. Er hat den Leuten etwas zu erzählen, etwas zu sagen, nein, er muß ihnen das hier und jetzt unbedingt sagen und singen, er scheint geradezu besessen davon. Zu brennenden Visionen sollen die Fish-Songs werden, zu Ve-xier-Bildern, die der Künstler nun mit seiner ganzen Person dem Publikum theatralisch vorleben muß. Dieses kantige Gesicht, es spielt dabei jedes Wort, jede aus dem Mund geschleuderte Zeile nach, es legt sich sorgen-voll in Falten, entspannt sich im nächsten Moment grinsend, spielt eine Song-Geschichte in tausend Facetten, während dies seltsame Gestikulieren in all seiner Unbeholfenheit etwas seltsam Ausdrucksstarkes hat, das an eine fremdartig-egomanische Choreo-grafie erinnert.
Fast tritt hinter einer solchen Bühnenpräsenz die Musik als solche zurück, der eine vierköpfige, mit fähigen Technokraten besetzte Band instrumentale Opulenz gibt. So zaubert etwa Mickey Simmonds scheinbar beliebig zweite und dritte Gitarren aus seinem Keyboard, oder er läßt die Geige tanzen, legt flauschige Klangteppiche und läßt die Orgel schmatzen, daß es eine wahre Pracht ist für die rund 600 Freunde des melodischen Progressivrock. Mehr Groove als früher hat das Ganze, die epische Breite vieler Songs ist gut strukturiert, auch wenn sie nicht immer so originell ist, wie sie es gerne wäre.
Musikalisch strenggenommen ist Fish kein brillanter Sänger, zu modulationsarm ist seine Stimme, zu viele Schwächen hat sie in den Höhen, zu wenig hebt sich ihr Timbre vom Gängigen ab. Doch im Gegensatz zu seiner einstigen Band Marillion vermag Fish seiner Musik auf der Bühne eine zusätzliche Dimension zu geben, die einen Konzertabend zum Erlebnis werden läßt. Ulrich Bauer
stuttgarter zeitung 11.11.1997