Konzertarchiv
Inchtabokatables
Massakrierte Geigen
The Inchtabokatables im LKA
Expressiver geht´s kaum noch: Der Mann, der sich B- Breuler nennt, streicht die Saiten, als gelte es, zähes Fleisch im Akkord zu schneiden, und er schrubbt selbige, als handle es sich bei seinem Instrument um eine Elek-trogitarre, die nach guter alter Hardrocker-art der finalen Zertrümmerung auf dem Bühnenboden harrte. Nun spielt die Band des B. Breuler jedoch keinen Hardrock, und die Saiten sind auch nicht auf eine Gitarre gespannt, deren letztes Stündlein längst geschlagen hätte. Ginge ja gar nicht, lautet der Slogan der Inchtabokatables doch „No Guitars ". Eine Geige also ist´s, die sich vom veitstanzenden B. Breuler massakrieren lassen muß. Und weil geteiltes Leid ja halbes Leid sein soll, quält ein Derwisch namens Herr Yen noch eine Geige, und ein etwas ruhigerer, vielleicht deshalb B. Deutung geheißener Zeitgenosse macht sich über ein Cello her. Gemeinsam mit einem Elektrobassisten und einem Schlagzeuger bemühen sich die drei Streicher um eine Art Kammermusik, auf die sich Pogo tanzen läßt. Oder um folkigen Punk, punkigen Folk, grungigen Folk-Punk gar, so ganz genau weiß man´s nicht, weil die. Inchtabokatables alles dransetzen, ihr Klangbild alle paar Takte möglichst nachhaltig zu verändern. So entsteht dann Musik, die nicht faßbar klingen will, sondern schlicht intensiv. Und manchmal gelingt ihr das auch. In den ausgiebigen Instrumentalpassagen etwa entsteht aus dem Wettstreit der Rock- und der Streicherfraktion eine berührende Spannung, die allerdings stets unwirsch endet, wenn Baß und Schlagzeug wieder alle süßsäuerlich tönenden Klangpflänzchen rabiat niedermähen. Auch B. Breulers ekstatischer Gesang, der eigentlich bestens geeignet ist, solche Spannungsmomente zu multiplizieren, spült in seiner Überdrehtheit die feinen Nuancierungen der Berliner Combo allzuoft allzuwild rauschend durch die Lautsprecher. Bedrohlich explodierende Silvesterknal-ler erinnern noch schnell daran, wie prall doch das Leben und wie vergänglich die Kunst sei. Oder war´s doch andersrum? So ganz genau weiß man´s nicht, weil an der Zerreißgrenze zitternde Geigensaiten auch schon wieder ein Wörtchen mitzureden haben. Ein Tänzchen in Ehren, so scheinen sie zu schreien, sei bei den Inchtabokatables in jedem Falle angebracht. Michael Werner stuttgarter zeitung 17.12.1997