Konzertarchiv

Di 16.05.2000 |

Jazzkantine

Gehaltvoll brodelt die Klangküche

Scharfes Gebläse, groovende Rhythmen: Furioses Gastspiel der Jazzkantine im LKA

Von Christoph Wilden

Stuttgart -Anfang der 90er Jahre war die Mixtur aus Jazz und HipHop schwer angesagt. Die Braunschweiger Antwort auf diese musikalische Fusion war die Jazz­kantine, die sich mit wechselnden Gastmusikern und einer Starbesetzung von elf Musikern immer wieder in den Charts platzieren konnte. Nach einer zweijährigen Albumpause und der Erfolgspro­duktion „Tanzkantine" am Braun­schweiger Staatstheater hat die Combo jüngst ihr fünftes Album vorgelegt und befindet sich seit En­de April auf Deutschland-Tour. Bei ihrem Auftritt im gut gefüllten Stuttgarter LKA konnten sich die Braunschweiger auf ihre Fans ver­lassen, soviel war von Beginn an klar. Den Auftakt machte „Es kommt näher", von den elf Musi­kern bei schummriger Bühnenbe­leuchtung beklemmend visualisiert. Unter dem Jubel des Publikums wird wenig später mit Nachdruck losgelegt. Der Herd wird warm, die Rap-Shouts der drei Frontmänner Aleksey, Cappuccino und Tachiles knallen durch die Boxen. Appetit macht sie, die gehaltvolle Küche der Jazzkantine, der dichte Klangtep­pich, das messerscharfe Gebläse und die groovende Rhythmus-Sek­tion bringen Bewegung ins LKA. Keiner der exzellenten Musiker des
Multi-Kulti-Bandprojekts muss sich verstecken, bei den Braunschwei­gern ist jeder ein Star. HipHop folgt auf erdigen Soul, Miss Marple Melodie auf Bigband-Jazz mit gestopf­ter Trompete. Ein stetes Kommen und Gehen derweil, nur selten sind alle elf Protagonisten gleichzeitig auf der Bühne. Locker eingestreute Sketche, Gimmicks und Ansagen sorgen fürs kollektive Schmunzeln, großes Gelächter gibt es im Saal, als einer der Rapper eine jauchzende Blondine namens Angelique mimt mit Perücke, versteht sich. Keine Frage, die Jazzköche vermit­teln ein ansteckendes Gefühl ent­spannter Spielfreude und einge­schworener Kollegialität. Dennoch hat jenes auch die eingefleischten Fans an diesem Abend nicht ganz leicht. Bekannte Kantinen-Parolen wie „555" oder „Respekt" wech­seln mit raren Albumtiteln aus früheren Tagen, und ebenso flott wech­seln Genre, Rhythmus´ und Tempo. Da bleiben selbst die Tanzwütigsten am Bühnenrand auf der Strecke, sind irritiert ob der Zeit- und Stil- Sprünge durch sieben Jahre Bandge­schichte. Kaum hat Gitarrist Tom Bennecke mit einem bestechenden Gitarrensolo Carlos Santana seine Reverenz erwiesen oder der überra­gende Gast-Saxophonist P. W. Ellis mit einem balladesken Bill-Withers-Evergreen für kollektive Gänsehaut gesorgt, stürmt wieder die Rapper-Troika an die Mikrophone, um kurz drauf vorn kontemplativen Vibraphon-Spiel Gunter Hampels zu­rückgestutzt zu werden. Dennoch oder gerade deshalb: Es ist mehr denn je ungemein faszinie­rend, die Jazzkantine live zu erle­ben, sich der kuriosen wie furiosen Show der Band hinzugeben. Über­raschungen sind bei den Braun­schweigern eben Pflichtprogramm, das Zusammenspiel dabei stimmt in jedem Fall. „Der Ton macht die Mu­sik" lautet ein Titel auf der aktuel­len CD. Das könnte treffend als Glaubensbekenntnis der Kantinen­köche durchgehen. stuttgarter zeitung 19.05.2000

Di 16.05.2000
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