Konzertarchiv
Motörhead
Ein paar Nägel verschluckt
Motörhead im LKA: Konzert mit gezielt eingesetztem Krach
Von Ulrich Bauer
Sie galten einmal als die lauteste Band der Welt und setzen nun offenbar alles daran, diesen Ruf zurückzuerobern. Mit enormem, ja geradezu höllischem Schalldruck ließ das Trio Motörhead jetzt das LKA erzittern. Chef-Motorkopf lan „Lemmy" Kilmister, immerhin schon ein Mann weit in den Fünfzigern, aber - wie es scheint - mit Gehörgängen aus Leder, war denn auch mächtig stolz auf das gewaltige Schallgebläse. Immerhin dreimal mußte er nachfragen: „Sind wir auch laut genug?" Ob die Antwort angekommen ist, wußte im Saal des LKA niemand so genau, doch schon bei seiner nächsten Zwischenansage forderte Kilmister das Publikum auf, endlich lauter zu sein und mehr Krach zu machen.
Es geht halt manchmal schon recht seltsam zu bei den Konzerten von Motörhead, die ihre Hochgeschwindigkeitsgeisterfahrt zwischen Metal und Rock vor bald 25 Jahren angefangen hat und sich nun als eisernes Triumvirat präsentiert. Wie ein Fels in der Brandung steht der alte Haudegen Lemmy immer noch auf der Bühne, hüftlahm wie eh und je und mit einer Stimme, als habe er
Nägel verschluckt und mit Benzin gegurgelt. Typisch ist auch seine Körperhaltung: Er bellt von unten in das Mikro und verzieht dabei keine Miene. Oder er schickt seine Flüche ins Publikum und läßt dabei seinen Baß wie einen Panzer mit Auspuffschaden donnern.
Die rund 700 Fans, die am Mittwoch abend beim Konzert im LKA dabei waren, mögen das. Mehr noch: sie waren nur dafür gekommen. Denn musikalisch tut sich schon lange nichts mehr bei Motörhead, deren Konzerte ja nur noch Rituale und deren Songs, egal wie sie heißen, beliebig auffüllbare Knallschoten sind. Schlagzeuger Mikkey Dee knüppelt stets mit Vollgas und verdient sich mit seiner präzisen Motorik hohe Haltungsnoten, während Gitarrist Phil Campbell gerade noch die spärlichen Lücken, die der Baß ihm läßt, mit gezielt eingesetztem Krach auffüllt.
Etwas zu routiniert und kühl wirkte Motörhead dieses Mal, und das Publikum reagierte darauf auch nicht unbedingt euphorisch. Doch als es in die Konzertverlängerung ging, zog Motörhead mit dem alten Hit „Ace of Spades" doch noch den Joker. Und dann war natürlich alles wieder genauso gut. wie es immer war. stuttgaret zeitung 06.11.1998