Konzertarchiv
Nazareth
Grauhaarig, gereift und zerknittert
Konzert der Rock-Oldies im LKA
Wer sich eigentlich noch für so alte und vollkommen aus der Mode gekommene Kapellen wie Nazareth und Uriah Heep interessiert? Es sind durchaus noch viele, wie jetzt das ausverkaufte Doppelkonzert im LKA zeigte. Auf dem CD-Markt und in den einschlägigen Medien spielen beide Namen ja längst keine Rolle mehr, aber das Versprechen guter alter Rockmusik aus guten alten Zeiten scheint gerade live noch seine Anziehungskraft zu haben. Dabei schreibt die Rockgeschichte beiden Bands mittelmäßig epigonalen Status zu. Nazareth beispielsweise, da fallen wohl jedem die posthum vom Radio plattgenudelten Oldieballaden „Love Hurts" und „Dream On" ein, die das Quintett im LKA gegen Schluß seines Auftritts bot, ohne damit herausragende Höhepunkte zu setzen. Denn eigentlich gaben die Schotten ein ausgeglichenes Konzert gediegener Handarbeit. Sänger Dan McCafferty hat sich auch als grauhaarig gereifter Rocker sein hysterisches Kreischen bewahrt, das sich trommelfellzerfetzend auch gegen massivste Gitarreneinsätze und donnernde Schlagzeuggewitter durchzusetzen vermag.
Die Bühnenanlage mußte wohl unbedingt eine dreiviertel Stunde lang vollkommen neu eingestellt werden, denn danach erst bequemten sich zu vorgerückter Stunde Uriah Heep auf die Bühne. Von den Kritikern stets als tumbe Bombastrocker geschmäht, haben sie seit Beginn der siebziger Jahre ein beachtliches Durchhaltevermögen bewiesen. Auch Uriah Heep lieferten ein nett zusammengestelltes Potpourri aus alten Gassenhauern und nach bewährten Schablonen erstellten Neuschöpfungen ab. Der ziemlich zerknittert wirkende Gitarrist und Gruppenboß Mick Box dürfte wohl kaum noch als Mäd-chenschwarm durchgehen, dafür quält er sein Publikum aber auch nicht mehr wie früher mit ellenlangen Soli, was dem Unterhaltungswert seiner Band durchaus zuträglich ist. Sogar eine Stumpfsinnshymne wie „Gypsy" ließ sich auf diese Weise aushalten, während die betagte Pubertätsarie „Look at yourself" zum guten Schluß noch einmal kurzweilig die geschundenen Gehörgänge durchputzte. Ein Konzert erfahrener Handwerker und solider Musikmalocher. üb stuttgarter zeitung 19.11.1998
Immer rauher im Laufe der Jahre
„Double Trouble"-Tour von „Nazareth" und „Uriah Heep" im „Longhorn/LKA"
Von Gerald Dietze
Stuttgart - Auch im Musikgeschäft werden die Zeiten härter und so machen sich Rockbands gemeinsam auf, um den Konzertmarkt zu erobern, Rockgeschichte im Doppelpack gibt es zur Zeit mit den zwei grundverschiedenen Hardrock Gruppen „Uriah Heep" und „Nazareth". Sie touren zusammen auf ihrer „Double Trouble" Tour derzeit durch Deutschland und stellen neben ihren bekannten Klassikern auch ihre neuen Alben vor. Erwartungsgemäß war auch der Club „Longhorn/LKA" in Stuttgart-Wangen komplett ausverkauft, denn die Spielstätte ist für die Fans beider Bands zusammen etwas zu klein dimensioniert. Dafür entwik-kelt sich bei vollem Saal im Handumdrehen eine gute Konzertatmo-sphäre.Den Anfang machten „Na-
zareth". Die Stimmung entwickelte sich erst bei den Klassikern, wie „Razamanaz" oder „My White Bi-cycle" richtig. Daß die Stimme von Sänger Dan McCafferty mit den Jahren immer rauher geworden ist, stört keinesfalls und unterstützt die Musik nur positiv. Das immer angespannte Gesicht zeigt aber, daß es sich bei der Stimmbandfolter um härteste Arbeit handelt, Bassist Ag-new hat sehr viel Spaß bei der Sache, doch Keyboarder Leahy spielt einfach nur kalt sein Repertoire herunter. Die Frischzellenkur mit digitalen Sphären-Keyboardklängen wirkt bei dieser harten Musik etwas unpassend.
Nach der Umbaupause schlagen „Uriah Heep" gleich mit Stücken von ihrer neuen „Sonic Origami" zu. Insgesamt kommt neben dem alten Material fast die Hälfte der neuen Lieder zur Aufführung und das
sei angesichts des Top-Albums auch erlaubt. Die Reaktion der Fans läßt jedenfalls Zufriedenheit erkennen. Früher wurden „Uriah Heep" von Kritikern als schlechte „Deep Pur-ple"-Kopie geoutet, was aber angesichts der guten Musiker und des mittlerweile unvergleichbaren Stils vermessen wäre.
Der Gitarrist Mick Box hat wie immer gute Laune glänzt mit seinem sehr charakteristischen, schwebenden wah-wah Gitarrenstil. Sänger Bernie Shaw hat trotz einer starken Erkältung kaum Probleme mit der Stimme und der gutbeleibte Höllen-schlagzeuger Lee Kerslake, der in den Siebzigern auch mit Ozzy Os-bourne zusammengearbeitet hat, spielt erstaunlich schnell. Eine perfekte Show mit tollem Zusammenspiel und Hoffnung auf Wiederhören auf einem der vielen Festivals im nächsten Jahr. esslinger zeitung 20.11.1998