Konzertarchiv
Rockbitch
Auflagen verhindern Skandal bei Konzert
Britische Frauenrockband hält sich an die Vorgaben - Musikerinnen nackt auf der Bühne
Der Auftritt der umstrittenen Frauenrockband „Rockbitch" ist im Longhorn am Samstagabend reibungslos über die Bühne gegangen. Einige der 800 Fans waren enttäuscht, dass zwei der Musikerinnen sich nur auszogen, aber keine Sexualpraktiken zeigten.
Von Jürgen Brand
Rockbitch beschäftigt seit Jahren die Ordnungsbehörden, nicht nur in Stuttgart. Die sechs Frauen und der eine Mann leben seit zehn Jahren in einer „matriarchalen Gemeinschaft" in Frankreich. Die insgesamt 15 Kom-munenmitgiieder, zwei davon Männer, sind überzeugt, dass Sex der Antrieb des Universums ist, vor allem Sex und Liebe unter Frauen. Mit ihren Konzerten wollen sie ihre Botschaften verkünden. Sie tun das mit drastischen, teils ekelerregenden Mitteln.
Der Aushang am Eingang des Longhorns in Wangen am Samstagabend war neun Din-A-4-Seiten lang. In der Anordnung des Amts für öffentliche Ordnung war genau festgelegt, was die Band durfte - und vor allem, was bei Androhung einer vierstelligen Ordnungsstrafe und eines Konzertabbruchs alles nicht erlaubt war. Ein kleiner Auszug lässt ahnen, was den Konzertbesuchern am Samstagabend erspart blieb. Den Musikerinnen war nicht erlaubt „die Ausübung des Geschlechts-, Oral- oder Anal verkehr s; das Einführen von Gegenständen oder Körperteilen in die Vagina oder den Anus.; die sexuelle Stimulation von Geschlechtsteilen, des Anus oder der weiblichen Brust sowohl am eigenen als auch am Körper Dritter".
Vor Konzertbeginn wurde das Publikum auf diesen Aushang hingewiesen. Wer durch den Auflagenkatalog das Interesse an dem Konzert verloren hatte, konnte bis 15 Minuten nach Beginn sein Eintrittsgeld zurückverlangen und wieder gehen. Die Einhaltung der Auflagen wurde von Vertretern der Polizei, der Staatsanwaltschaft und des Amts für öffentliche Ordnung überwacht.
Erlaubt war, dass die Keyboarderin und eine der Sängerinnen sich während der ersten beiden Stücke nackt auszogen und es bis zum Schluss blieben. Dafür war beim Amt für öffentliche Ordnung eine „besondere Genehmigung für Personendarstellung" eingeholt worden.
Auf der Videowand über der Bühne wurden Filmausschnitte, in denen Männer Frauen schlagen und Soldaten Frauen vergewaltigen, gezeigt. Gewalt gegen Frauen sei in der Gesellschaft akzeptiert, lautete die Botschaft, werde ständig im Fernsehen gezeigt. Bilder von sich liebenden Frauen seien dagegen verboten, weit sie die Sitten und den Anstand verletzten. Mit einem anderen drastischen Film wurde gegen die Beschneidung von Mädchen in Afrika protestiert.
Die Band hielt sich in dem etwa 90-minütigen Konzert am Samstagabend an die Auflagen. Mehr als 90 Prozent der Besucher waren Männer. Zumindest einige von ihnen äußer-
ten nach Konzertende ihren Unmut darüber, dass die Frauen so wenig gezeigt hätten. Sie hatten sich mehr Pornografisches erhofft.
Bei fast allen Konzerten der Gruppe in Deutschland gilt der umfangreiche Auflagenkatalog. Während in Deutschland nur vereinzelt Konzerte abgesagt wurden, fanden bei der Englandtour im Frühjahr nur zwei von acht geplanten Auftritten statt stuttgarter zeitung 24.09.1999