Konzertarchiv

Sa 18.09.1999 |

Rockbitch

Auflagen verhindern Skandal bei Konzert

Britische Frauenrockband hält sich an die Vorgaben - Musikerinnen nackt auf der Bühne

Der Auftritt der umstrittenen Frauen­rockband „Rockbitch" ist im Longhorn am Samstagabend reibungslos über die Bühne gegangen. Einige der 800 Fans waren enttäuscht, dass zwei der Musikerinnen sich nur auszogen, aber keine Sexualpraktiken zeigten.

Von Jürgen Brand

Rockbitch beschäftigt seit Jahren die Ord­nungsbehörden, nicht nur in Stuttgart. Die sechs Frauen und der eine Mann leben seit zehn Jahren in einer „matriarchalen Gemein­schaft" in Frankreich. Die insgesamt 15 Kom-munenmitgiieder, zwei davon Männer, sind überzeugt, dass Sex der Antrieb des Univer­sums ist, vor allem Sex und Liebe unter Frauen. Mit ihren Konzerten wollen sie ihre Botschaften verkünden. Sie tun das mit drasti­schen, teils ekelerregenden Mitteln.

Der Aushang am Eingang des Longhorns in Wangen am Samstagabend war neun Din-A-4-Seiten lang. In der Anordnung des Amts für öffentliche Ordnung war genau festgelegt, was die Band durfte - und vor allem, was bei Androhung einer vierstelligen Ordnungsstrafe und eines Konzertabbruchs alles nicht erlaubt war. Ein kleiner Auszug lässt ahnen, was den Konzertbesuchern am Samstagabend erspart blieb. Den Musikerin­nen war nicht erlaubt „die Ausübung des Geschlechts-, Oral- oder Anal verkehr s; das Einführen von Gegenständen oder Körpertei­len in die Vagina oder den Anus.; die sexuelle Stimulation von Geschlechtsteilen, des Anus oder der weiblichen Brust sowohl am eige­nen als auch am Körper Dritter".

Vor Konzertbeginn wurde das Publikum auf diesen Aushang hingewiesen. Wer durch den Auflagenkatalog das Interesse an dem Konzert verloren hatte, konnte bis 15 Minu­ten nach Beginn sein Eintrittsgeld zurückver­langen und wieder gehen. Die Einhaltung der Auflagen wurde von Vertretern der Polizei, der Staatsanwaltschaft und des Amts für öffentliche Ordnung überwacht.

Erlaubt war, dass die Keyboarderin und eine der Sängerinnen sich während der ers­ten beiden Stücke nackt auszogen und es bis zum Schluss blieben. Dafür war beim Amt für öffentliche Ordnung eine „besondere Geneh­migung für Personendarstellung" eingeholt worden.

Auf der Videowand über der Bühne wur­den Filmausschnitte, in denen Männer Frau­en schlagen und Soldaten Frauen vergewalti­gen, gezeigt. Gewalt gegen Frauen sei in der Gesellschaft akzeptiert, lautete die Botschaft, werde ständig im Fernsehen gezeigt. Bilder von sich liebenden Frauen seien dagegen verboten, weit sie die Sitten und den Anstand verletzten. Mit einem anderen drastischen Film wurde gegen die Beschneidung von Mädchen in Afrika protestiert.

Die Band hielt sich in dem etwa 90-minü­tigen Konzert am Samstagabend an die Aufla­gen. Mehr als 90 Prozent der Besucher waren Männer. Zumindest einige von ihnen äußer-

ten nach Konzertende ihren Unmut darüber, dass die Frauen so wenig gezeigt hätten. Sie hatten sich mehr Pornografisches erhofft.

Bei fast allen Konzerten der Gruppe in Deutschland gilt der umfangreiche Auflagen­katalog. Während in Deutschland nur verein­zelt Konzerte abgesagt wurden, fanden bei der Englandtour im Frühjahr nur zwei von acht geplanten Auftritten statt stuttgarter zeitung 24.09.1999

Sa 18.09.1999
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