Konzertarchiv
Running Wild
Unter der Piratenflagge
Running Wild im LKA
Fast zwanzig Jahre ist Rock ´n Rolf nun unter der Piratenflagge gesegelt, und von seiner unruhigen Fahrt durch die Weltmeere weiß er uns laute Liedlein zu singen. So mancher mutige Matrose ist in dieser Zeit über Bord gegangen - ein herber Verlust war neulich erst der Schlagzeuger Jörg Michael - , und manches Mal schien die Running Wild, so der Name des Piratenkahns
kurz vorm Sinken.
Doch unser hanseatischer Kapitän peitscht seine Mannschaft unerbittlich weiter, zu immer neuen Zielen, die doch stets die alten sind. Beharrungswillen darf man Rolf Kasparek und seiner Band Running Wild gleich in doppelter Hinsicht unterstellen: Ihr Metal Musizieren steht wie ein eherner Fels in der Brandung der Zeit und hat sich über all die Jahre und Alben hinweg kein bißchen verändert - genau wie dieser unsägliche Spleen mit den Piratenklamotten.
Das Heavy-Metal-Publikum freilich honoriert solch eisernes Durchhaltevermögen: Das LKA war beim Running Wild-Konzert gut besucht und durfte sich gleich zu Beginn diverser Salven Kanonenschläge, Stichflammen und pyrotechnischer Kinkerlitzchen erfreuen. Käptn Rock´n Roll mit seiner prächtig ausladenden Schipper-Schildmütze hingegen pflegte zum schlecht ausgesteuerten Sägen seiner drei Mitmusiker in stets gleichem Duktus einige vorbereitende Warte-Verse zu brüllen, ehe seine Lieder auf Refrains einbogen, die mit Slogans wie „Angels of Black", „Fire and Thunder" oder „Prisoners of Time" wohl besonders eingängig wirken wollten.
Wer sich an abgegriffenen Metal Klischees und ausgeleierten Posen nicht stört, .der mag dabei durchaus auf seine Kosten gekommen sein. Er mußte sich anschließend aber von im Kasernenhofton gebrüllten Ansagen wie „Seid ihr auch noch alle da?", „Ihr dahinten könnt euch nicht verstecken, ich sehe euch alle" immer wieder mal energisch zur Ordnung rufen lassen. Jawohl, der Kapitän war streng mit dem Publikum und seiner Mannschaft. Running Wild wird wohl noch so manches Jahr vom Wind der Veränderung völlig unbeirrt durch die Meere des Heavy Metal pflügen. üb stuttgarter zeitung 21.04.1998