Konzertarchiv

Di 17.04.2001 |

Saga

Nicht fett geworden

Die Kunstrocker von Saga haben im LKA gespielt

Von Ulrich Bauer

Ist Rockmusik Kunst? Kommt Kunst von Können? Oder ist es keine Kunst, Rockmusik spielen zu können? Alte Streitfragen. Die Gruppe Saga jedenfalls spielt Kunstrock, jene auch Progressive Rock genannte musikali­sche Richtung, die mit möglichst weit ver­zweigten, virtuosen und manchmal auch an klassisch-bildungsbürgerlichen Idealen orien­tierten Werken zu Anfang der siebziger Jahre ihre Blüte erlebte. Als Saga 1977 freilich auf der Bildfläche erschien, hatte der Punk das Selbstverständnis von prominenten Kunst­rockbands wie Yes oder Genesis schon schwer angeschossen und diese in Richtung eingängigen Mainstreampop abgedrängt. Aus war es nun damit, dass die zeitgeistig und didaktisch bemühten Musiklehrer in den Gymnasien klassische Werke ihren Schülern anhand der Interpretation von Emerson, Lake & Palmer unterjubeln konnten. Plötzlich wusste auch kein Mensch mehr, was das Wort „progressiv" bedeuten solle, vorwärts gerichtete Visionen gerieten zuneh­mend aus der Mode, und bald schon sollte hier zu Lande Helmut Kohl die geistig-morali­sche Wende verkünden.

Doch die Musiker von Saga machten den Nachteil der zu späten Geburt zur Gnade und beerbten eine Zeitlang die großen Vorgänger in ihrem Segment, ohne freilich eine innere Verbindung ihrer Musik zu den allgemeinen Zeit läuften herstellen zu können. Jawohl, kon­sequent und ehrlich seien sie immer geblie­ben, so werden ihre Fans sagen, die zu einem übergroßen Teil in Deutschland beheimatet sind, während die Band in ihrer kanadischen Heimat eher in den Hintergrund gerückt ist. Ob´s eine deutsche Nähe zur Romantik ist, zum klassisch-abendländischen Bildungside­al, zur bedeutungsschwangeren Tiefe, zu Pomp und rückwärts gewandten Visionen, die dafür verantwortlich ist? Genug der bil­dungsbürgerlichen Fragen.

Saga rockt immer weiter und hat ihre Sage jüngst mit dem neuen Album „House of Cards" fortgesetzt, auf dem sie wieder mal tapfer ihre typischen Schablonen füllt. Mit der eher biederen und letztlich nur vom Titel her aussagekräftigen Single „Money Talks" freilich scheint sie auf ihre alten Tage aber nun doch noch den Anschluss an den gemei­nen Mainstreampop vergangener Tage zu suchen. Kleine Sünden, die die treue Anhän­gerschaft ihr aber durchaus zu verzeihen scheint, wie jetzt ein einigermaßen ordent­lich gefülltes LKA bewies.

Nach der obligatorisch klassizistisch ge­schwollenen Synthesizer-Ouvertüre stiegen sie dort in alter Frische auf die Bühne, die fünf von Saga: vorneweg Michael Sadler, der pathetisch tremolierende Gentleman. Knapp dahinter der Gitarrenderwisch lan Crichton, der dermaßen schnell mit den Fingern über das Griffbrett fährt, um es zu strangulieren, auf ihm zu vibrieren, mit den Fingerkuppen zu hämmern, die Saiten zu zerren und zu quälen, Triolen, Arpeggien, ach was, alles bloß denkbar mögliche Tonmaterial virtuo­senflink loszueisen und in so sagenhafter Windeseile ins Publikum zu schicken, dass einem Hören und Sehen vergeht. Stets freund­liche Miene zu solch geschliffen technokrati­schem Spiel machte sein Bruder Jim Crichton am Bass, der zumindest optisch mehr mit dem barock gelockten Jim Gilmour hinter seiner monumentalen Keyboardburg ver­wandt zu sein scheint. Der aufgeräumt wir­kende Kumpeltyp Steve Negus komplettierte mit mittlerem Tempo und Temperament den Fünfer, der sich nun wacker durch die Mono­tonie des ersten Konzertteils kämpfte.

Jawohl, die können ihre Instrumente im­mer noch spielen, und der Sänger ist inmit­ten dieses opulenten Klangkörpers auch nicht fett geworden, diese Bestätigung war schnell eingefahren. Doch was dann? Die Unisono-Läufe, sie schwirrten immer weiter, und ein Stück glich zunehmend dem vorigen. Die Band schien das genauso zu empfinden und versuchte durch dramatische Auf- und Abbauten von Instrumenten sowie mit akus­tisch geklampften Liedlein und Gesangseinla­gen ihres Tastengottes Abwechslung ins Ge­schehen zu bringen. Doch die Absicht war zu offenkundig, der Teil ward allzu routiniert absolviert. Der Wechsel zurück ans elektri­sche Instrumentarium wirkte schließlich fast wie eine Erlösung und brachte auf der Zielge­raden so bewährte und endlich auch einmal prägnante Saga-Schlager wie „Wind him up" oder „Humble Stance", die das Publikum dann auch lautstark wieder erkennen und beklatschen durfte.

Progressiv ist an diesem Progressive Rock nichts mehr. Aber immerhin, er ist typisch Saga. Wir sind in den vergangenen 20 Jahren ja alle bescheidener geworden. Stuttgarter Zeitung 19.04.2001

Die Rückkehr der Rock-Dinos

Saga begeistern in ursprünglicher Besetzung das Publikum im Longhorn mit Klassikern

Von Michael Kallinger Esslinger Zeitung 19.04.2001

Stuttgart - Die Dinosaurier hatten erhebliche Probleme, sich verän­derten Umweltbedingungen anzu­passen. Ein Unvermögen, das vor 65 Millionen Jahren tödliche Folgen hatte. Nun, das Musikgeschäft ist deutlich schnelllebiger als die Evo­lution der Fauna. So darf es nicht wundern, dass ein Quintett mit 23 Jahren auf dem Buckel ebenfalls be­reits als Urzeitwesen seines Genres gehandelt wird.

Im Fall der kanadischen Saga nicht ganz zu Unrecht, denn deren Musik hat sich seit dem Schallplatten Debüt 1978 kaum fortentwickelt, dem irreführenden Stil-Etikett „Progres­sive Rock" zum Trotz . Eine Tatsa­che, die eine immer noch beträchtli­che Fangemeinde durchaus als Qua­lität empfindet.

Auch dem Publikum, das sich im Stuttgarter Longhorn (LKA) ver­sammelt hat, liegt hörbar wenig an Neuem. Und es wird nicht enttäuscht. Als die Mannschaft um Sän­ger Michael Sadler die Bühne be­tritt, ist bereits mit den ersten Tak­ten klar: Bei Saga bleibt alles beim Alten. Gitarrist lan Crichton häm­mert in gewohnter Manier virtuose Stakkato-Linien in die Saiten, die oft in fulminante Unisono-Läufe mit dem Bass von Bruder Jim Crichton münden. Jim Gifmour steuert opul­ente Keyboardkaskaden bei, ange­trieben von den rasenden Trommel­einsätzen von Drummer Steve Negus. Und über allem, das intonati­onssichere Falsett von Frontman Sadler, der die Dekaden hörbar un­beschadet überstanden hat. Die Band, inzwischen wieder in der ur­sprünglichen Besetzung, präsentiert sich in Höchstform.

Vertrackte Rhythmik

Bereits als zweite Nummer erklingt „On The Loose" - inzwischen 20 Jahre alt; sie wird vom Publikum mit frenetischem Beifall aufgenommen. Es soll nicht der letzte Klassi­ker für diesen Abend sein, glückli­cherweise. Denn Songs wie „Money Talks" vom aktuellen Album „House of Cards" mögen zwar nett sein, doch wirklich mitreißend ist die fa­mos eingespielte Band aber immer noch bei den Titeln aus den 70ern und frühern SOern: „Wind Hirn Up", „The Flyer" und als Zugabe mit Sänger Sadler am Bass „Humble Stance", das mit seiner vertrackten Rhythmik noch heute beeindruckt. Dazwischen gibt es eine Soloeinlage von Keyboarder Gilmour, der sich unter anderem mit „Scratching the Surface" als veritabler Vokalist be­weist, außerdem ein kurzes Akus­tik-Set und kurz vor Konzert ende das obligatorische Drum Solo von Steve Negus.

Unterm Strich gab´s im LKA zwar nichts Neues, aber beste Unterhal­tung für alle, bei denen melodischer Rock mit Wagner-Flair auch heute noch eine wohlige Gänsehaut her­vorruft.

Di 17.04.2001
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