Konzertarchiv

Mo 01.02.1999 |

The King

Die Legende

Elvis

lebt weiter

„The King" tritt im LKA au/­mit Liedern aus früheren Tagen

Von Bernd-Wüfried Kießler

Wer auch immer die Idee hatte, den fünffa­chen jungen Vater namens Jim Brown aus Belfast mit einer Stimme wie Elvis Presley Lieder von zahlreichen toten Rock- und Pop­stars singen zu lassen - der Gedanke war gewinnbringend: Während der Mann mit dem Künstlernamen „The King" vor Monaten beinahe unbeachtet im Alten Schützenhaus auftrat, füllte er jetzt das LKA bis auf den letzten Stehplatz und wird - gemäß dem Motto: Nutze die Gunst der Stunde l - Ende Mai in größerem Rahmen auf dem Stuttgar­ter Killesberg auftreten. Sein beziehungs-reich-schwarzhumorig betiteltes Album „Gravelands" klettert in den Hitparaden Westeuropas weiterhin nach oben, und die Werbemaschinerie läuft.

Wer den bescheidenen jungen Mann in der trostlosen Künstlergarderobe mit Frau und jüngstem Sohn etwas verloren sitzen sieht, bekommt ein bißchen Mitleid: Hatte es mit Elvis nicht auch ganz unten angefangen -und wie hat es geendet? Jim Brown weiß wohl, daß er wahrscheinlich eine der Stern­schnuppen ist, die im Musikgeschäft bekannt­lich sehr schnell verglühen können. Gewiß, man hat ihm eine gute Band mit auf die Bühne gegeben, stellt ihn in ein Licht, das mit dem Glitzer jener früheren Tage spielt, aber nicht in nostalgischen Zitaten steckenbleibt. Ein zweites Album ist schon in der Planung -wieder mit todsicheren Knallern der Rock­geschichte. Und wenn die kurzlebige Elvis-Welle vorbei ist?

Jim Brown, der Postbote a. D., hat Ge­schmack gefunden an dieser Musik, würde sich gern zum anerkannten Rock-´n´-Roller mit einem Schuß Country und Gospel entwikeln. Er hat sich nicht so spontan aus dem Nichts auf die Bühne gewagt, wie die Legen­de der Plattenfirma glauben lassen möchte: Ein halbes Jahr hat er mit einer Band geübt, ehe er öffentlich auftrat. Und er sieht sich noch nicht am Ende. Nach der Tournee will er Gesangsunterricht nehmen, um mehr Luft zu haben und nicht so kurzatmig zwischen den Titeln zu sein, wie es Elvis in den letzten Jahren war. In diesen belanglos-witzelnden Ansagen kommt er seinem Vorbild am näch­sten, spielt wirklich den King, in dessen

Lederkluft aus dem Jahre 1968: „Ich bin ein bißchen nervös, dies ist mein erstes Album seit 21 Jahren!"

Es sind bemerkenswerte Versuche, die größten Erfolge von Bob Marley oder Janis Joplin mit einer Elvis-Stimme neu zu interpre­tieren. Die vierköpfige Band löst sich dabei aus der musikalischen Sackgasse, in die die Memphis-Mafia den wahren King in seinen letzten Jahren gelotst hatte. So entsteht auf der Bühne kein tönendes Museum, sondern eine Fortschreibung der Legende, die auch

Menschen anspricht, die so wie Jim Brown im Kleinkindalterwaren, als Elvis starb.

Wir wissen nicht, ob und wie und was Presley, der heute vierundsechzig Jahre alt wäre, gesungen hätte. Eines aber hat und hätte er nie gemacht: sein dreijähriges Kind zu später Stunde auf die Bühne gezerrt. Zwar stellte er schon mal seinen anwesenden Va­ter oder die aktuelle Verlobte während eines Konzerts vor, Tochter Lisa Marie aber blieb immer außen vor. Seine Show war deshalb nicht weniger beeindruckend.

stuttgarter zeitung 03.02.1999

Mo 01.02.1999
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