Konzertarchiv

Di 17.11.1998 |

Uriah Heep

Grauhaarig, gereift und zerknittert

Konzert der Rock-Oldies im LKA

Wer sich eigentlich noch für so alte und vollkommen aus der Mode gekommene Ka­pellen wie Nazareth und Uriah Heep interes­siert? Es sind durchaus noch viele, wie jetzt das ausverkaufte Doppelkonzert im LKA zeig­te. Auf dem CD-Markt und in den einschlägi­gen Medien spielen beide Namen ja längst keine Rolle mehr, aber das Versprechen gu­ter alter Rockmusik aus guten alten Zeiten scheint gerade live noch seine Anziehungs­kraft zu haben. Dabei schreibt die Rockge­schichte beiden Bands mittelmäßig epigona­len Status zu. Nazareth beispielsweise, da fallen wohl jedem die posthum vom Radio plattgenudelten Oldieballaden „Love Hurts" und „Dream On" ein, die das Quintett im LKA gegen Schluß seines Auftritts bot, ohne da­mit herausragende Höhepunkte zu setzen. Denn eigentlich gaben die Schotten ein aus­geglichenes Konzert gediegener Handarbeit. Sänger Dan McCafferty hat sich auch als grauhaarig gereifter Rocker sein hysterisches Kreischen bewahrt, das sich trommelfellzer­fetzend auch gegen massivste Gitarreneinsät­ze und donnernde Schlagzeuggewitter durch­zusetzen vermag.

Die Bühnenanlage mußte wohl unbe­dingt eine dreiviertel Stunde lang vollkom­men neu eingestellt werden, denn danach erst bequemten sich zu vorgerückter Stunde Uriah Heep auf die Bühne. Von den Kritikern stets als tumbe Bombastrocker geschmäht, haben sie seit Beginn der siebziger Jahre ein beachtliches Durchhaltevermögen bewiesen. Auch Uriah Heep lieferten ein nett zusam­mengestelltes Potpourri aus alten Gassenhau­ern und nach bewährten Schablonen erstell­ten Neuschöpfungen ab. Der ziemlich zerknit­tert wirkende Gitarrist und Gruppenboß Mick Box dürfte wohl kaum noch als Mäd-chenschwarm durchgehen, dafür quält er sein Publikum aber auch nicht mehr wie früher mit ellenlangen Soli, was dem Unter­haltungswert seiner Band durchaus zuträg­lich ist. Sogar eine Stumpfsinnshymne wie „Gypsy" ließ sich auf diese Weise aushalten, während die betagte Pubertätsarie „Look at yourself" zum guten Schluß noch einmal kurzweilig die geschundenen Gehörgänge durchputzte. Ein Konzert erfahrener Hand­werker und solider Musikmalocher. üb stuttgarter zeitung 19.11.1998

Immer rauher im Laufe der Jahre

„Double Trouble"-Tour von „Nazareth" und „Uriah Heep" im „Longhorn/LKA"

Von Gerald Dietze

Stuttgart - Auch im Musikgeschäft werden die Zeiten härter und so machen sich Rockbands gemeinsam auf, um den Konzertmarkt zu er­obern, Rockgeschichte im Doppel­pack gibt es zur Zeit mit den zwei grundverschiedenen Hardrock Gruppen „Uriah Heep" und „Naza­reth". Sie touren zusammen auf ih­rer „Double Trouble" Tour derzeit durch Deutschland und stellen ne­ben ihren bekannten Klassikern auch ihre neuen Alben vor. Erwar­tungsgemäß war auch der Club „Longhorn/LKA" in Stuttgart-Wangen komplett ausverkauft, denn die Spielstätte ist für die Fans beider Bands zusammen etwas zu klein dimensioniert. Dafür entwik-kelt sich bei vollem Saal im Hand­umdrehen eine gute Konzertatmo-sphäre.Den Anfang machten „Nazareth". Die Stimmung entwickelte sich erst bei den Klassikern, wie „Razamanaz" oder „My White Bi-cycle" richtig. Daß die Stimme von Sänger Dan McCafferty mit den Jahren immer rauher geworden ist, stört keinesfalls und unterstützt die Musik nur positiv. Das immer ange­spannte Gesicht zeigt aber, daß es sich bei der Stimmbandfolter um härteste Arbeit handelt, Bassist Ag-new hat sehr viel Spaß bei der Sa­che, doch Keyboarder Leahy spielt einfach nur kalt sein Repertoire her­unter. Die Frischzellenkur mit digi­talen Sphären-Keyboardklängen wirkt bei dieser harten Musik etwas unpassend.

Nach der Umbaupause schlagen „Uriah Heep" gleich mit Stücken von ihrer neuen „Sonic Origami" zu. Insgesamt kommt neben dem al­ten Material fast die Hälfte der neu­en Lieder zur Aufführung und das sei angesichts des Top-Albums auch erlaubt. Die Reaktion der Fans läßt jedenfalls Zufriedenheit erkennen. Früher wurden „Uriah Heep" von Kritikern als schlechte „Deep Pur-ple"-Kopie geoutet, was aber ange­sichts der guten Musiker und des mittlerweile unvergleichbaren Stils vermessen wäre.

Der Gitarrist Mick Box hat wie im­mer gute Laune glänzt mit seinem sehr charakteristischen, schweben­den wah-wah Gitarrenstil. Sänger Bernie Shaw hat trotz einer starken Erkältung kaum Probleme mit der Stimme und der gutbeleibte Höllen-schlagzeuger Lee Kerslake, der in den Siebzigern auch mit Ozzy Os-bourne zusammengearbeitet hat, spielt erstaunlich schnell. Eine per­fekte Show mit tollem Zusammen­spiel und Hoffnung auf Wiederhö­ren auf einem der vielen Festivals im nächsten Jahr. esslinger zeitung 20.11.1998

Di 17.11.1998
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