Konzertarchiv
Youthu Yindy
Von Zuckerguß umhüllt
Yothu Yindi nochmals im LKA
Wenn das kein Spagat ist. „Du hörst besser auf die Stimme deines Stammes", heißt es in einem Lied von Yothu Yindi. So etwas will der postindustriell verunsicherte Stuttgarter zum Ausgang des 20. Jahrhunderts von seiner liebsten Aborigines-Band vernehmen. ´Ein paar Stücke später jedoch erfährt der Zuschauer Näheres über die Kommunikationskanäle australischer Ureinwohner: „Ich habe es im Radio gehört, und ich habe es im Fernsehen gesehen", so singt der Ureinwohner. Und wo, bitte schön, bleiben da die mystischen Versammlungen im Wüstensand?
Yothu Yindi machen es den Ethno-Puri-sten nicht gerade einfach. Die uralte Aborigines Kultur präsentieren sie in modernem, keyboardverliebtem Klanggewand, die musikalische Tradition erscheint umhüllt von poppigem Zuckerguß. Und wären da nicht die beiden martialisch bemalten Herren mit Klanghblzern und Digeridoo, würde nicht Mandawuy Yunupingu zwischen all den englischen Liedzeilen auch einige in der Stammessprache Gumatj einstreuen, dann könnte man Yothu Yindi tatsächlich für eine ganz gewöhnliche Popgruppe aus London, Los Angeles oder Ludwigsburg halten. Für eine jener Gruppen, die mit einer leicht verdaulichen Mischung aus Soul, Funk und Reggae hübsche Melodien vorantreiben, denen sie mit geschickt eingesetzten Chören gar etwas Unwirklich-Hymnisches einhauchen. Der Stöckchenmann schlägt, aber gelegentlich läßt ihn seine visuelle, fast dramatische Präsenz ebenbürtig neben dem Sänger tanzen.
Dessen Stimme wiederum klingt noch rauher als beim letzten Mal und tastet sich so verdächtig nahe an das Schnarren der Digeridoos heran. Und das bedrohlich tönende Blasrohr beherrscht, allem Keyboard gesäu-sei zum Trotz, immer noch den Sound von Yothu Yindi. Bereits im März hat die Gruppe mit ihrer fein ausgeklügelten Kulturmelange das LKA beschallt, jetzt ist sie anläßlich des Bundespresseballs nach Deutschland zurückgekehrt und hat, quasi nebenbei, gleich noch mal in Wangen aufgespielt. Außer einem frisch komponierten Lied namens „One Blood" gab es zwar wenig Neues zu hören, das alte Programm jedoch hat von seiner Faszination nichts eingebüßt. Auch das zeichnet eine gelungene Kür aus. Michael Werner stuttgarter zeitung 18.11.1997